Interview Dr. Lemmen Teil 2
Interview: Das diabetische Makulaödem im Fokus (Teil 2)
PD Dr. Klaus Dieter Lemmen im Gespräch mit VisusVital
Im zweiten Teil des Interviews mit Dr. Klaus Dieter Lemmen spricht der Netzhautexperte darüber, wie es in Deutschland um die Bereitschaft zur Augenvorsorge bei Menschen mit Diabetes steht und wie Patienten es schaffen können, bei der DMÖ-Vorbeugung am Ball zu bleiben.
Herr Dr. Lemmen, gibt es Statistiken darüber, wie viele Diabetes-Patienten nötige Augenarzttermine in Deutschland nicht wahrnehmen? Was sind Ihrer Meinung nach die häufigsten Gründe dafür?
Statistische Erhebungen zeigen, dass in Deutschland leider nur etwa 60-80% aller Menschen mit Diabetes regelmäßige Kontrollen ihrer Augen durchführen lassen.
Die häufigsten Gründe dafür sind fehlendes Wissen um die Gefahren für Auge und Sehen bei Diabetes die Angst vor der Diagnose einer diabetischen Retinopathie.
Sprechen Sie im Zweifelsfall auch mal „Klartext“ und weisen beispielsweise auf die Risiken eines unbehandelten fortschreitenden diabetischen Makulaödems hin?
Diabetische Netzhautschäden sind heute durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen mit der Möglichkeit der Früherkennung und eines dadurch rechtzeitigen Einsatzes erfolgreicher Therapieverfahren gut behandelbar.
Diese gute Nachricht in einem ausführlichen Gespräch in vertrauensvoller Atmosphäre Menschen mit Diabetes zu vermitteln und ihnen die Angst vor einer Erblindung zu nehmen ist eine der wichtigsten augenärztlichen Aufgaben. Allerdings gehört zu einem offenen Gespräch auch dazu, bei Zweifeln mit klaren Worten über die Risiken der bei Nichtbehandlung fortschreitenden Erkrankung zu sprechen. Dabei sollte man allerdings keine zusätzlichen Ängste schüren, sondern das Vertrauen in die wissenschaftlich gesicherten guten Chancen einer optimalen Versorgung aufbauen. Nur so kann es gelingen, gemeinsam effektiv und konsequent diabetische Netzhautschäden zu behandeln.
Wie kann ein gesunder Lebensstil das Risiko für diabetische Netzhauterkrankungen senken? Beraten Sie Ihre Patienten hierzu oder sehen Sie diese Aufgabe bei dem behandelnden Diabetologen/Hausarzt?
Eine gute Blutzucker- und Blutdruckeinstellung ist durch einen gesunden Lebensstil leichter und besser zu erreichen. Insofern können Menschen mit Diabetes durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung sehr viel dazu beitragen, diabetische Netzhautschäden zu verhindern oder im Erkrankungsfall erfolgreich zu behandeln.
Man sollte auch als Augenärztin oder Augenarzt darüber sprechen, vor allem, wenn man beim offenen Gespräch merkt, dass Patienten dieser wichtige Eigenbeitrag zum Schutze ihrer Augen noch nicht ausreichend bewusst ist.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit als Augenarzt mit dem Diabetologen oder Hausarzt aus?
Man kann die Wichtigkeit einer guten Kooperation zwischen Augenarzt und den übrigen medizinischen Fachdisziplinen, die Menschen mit Diabetes betreuen, nicht genug betonen. Grundvoraussetzung dafür ist ein optimaler Informationsaustausch mittels inzwischen standardisierter Befundbögen, auf denen sich Zuweiser und Augenärzte ihre jeweiligen Befunde, Diagnosen und eventuellen Behandlungsvorschläge übermitteln. Die persönliche Kontaktaufnahme verbessert dies zusätzlich und ist bei nicht ganz einfacher Krankheitssituation sehr zu empfehlen.
Trotz Vorsorge kann es passieren, dass sich bei den Patienten ein Diabetisches Makulaödem entwickelt. Wie nehmen Sie den Patienten die Angst und wie bereiten Sie sie auf die Therapie vor?
Wichtig ist, darüber zu informieren, dass
- bei rechtzeitiger Behandlung, sei es durch Laser oder durch Gabe heilender Medikamente (VEGF-Inhibitoren) durch Injektion in das Auge die Chancen einer Heilung im Sinne von Sehverbesserung im besten Falle oder Erhalt der bestehenden Sehschärfe sehr gut sind und die Kasse diese Behandlungen auch bezahlt.
- und dass auch die von allen gefürchtete "Spritze ins Auge“ nach örtlicher Betäubung durch Augentropfen ohne Schmerzen gegeben werden kann. Beim ersten Mal haben trotzdem fast alle Patienten noch große Angst. Wenn man dann aber die Injektion in Ruhe und noch dabei die einzelnen Schritte erklärend durchführt, spürt man als Patient außer einem leichten Druck nichts und kommt zu den nächsten Terminen ganz entspannt.
Welche Rolle spielen die Angehörigen Ihrer Patienten? Beziehen Sie diese in die Behandlung mit ein und wie können Sie motivierend unterstützen?
Angehörige sind überaus wichtige Partner und wertvolle zusätzliche Bezugspersonen bei einer erfolgreichen Betreuung von Menschen mit Diabetes.
Zum einen sind sie hilfreich beim ausführlichen Anfangs-Informationsgespräch über das Ausmaß der Erkrankung und den weiteren Verlauf mit Behandlung und Kontrolluntersuchungen. Die Lebensweisheit „vier Ohren hören mehr als zwei …“ gilt dabei nicht nur bei älteren Menschen mit Hörproblemen. Die Anwesenheit von Angehörigen, die eventuell weniger aufgeregt die Menge an Informationen mit aufnehmen und helfen, durch eventuelle Zwischenfragen das Verständnis zu sichern und zu vertiefen, gibt dem Patienten zusätzliche Sicherheit. Nicht zu unterschätzen ist auch die Hilfe und die Beanspruchung der Angehörigen im Behandlungsverlauf, vor allem bei Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder sonstigen diabetischen Begleiterkrankungen.
Auf Facharzttermine muss man manchmal warten. Wo finden Menschen mit Diabetes bis zum nächsten freien Termin Hilfe und Rat zum Thema diabetische Augenerkrankungen?
Hilfreich sind zur Vorabinformation die Internetseiten, die von ärztlichen Verbänden und Fachgesellschaften oder in Zusammenarbeit mit ihnen entstanden sind:
Informationen der Initiative „Das diabetische Auge“ der Fa. Bayer, des Berufsförderungswerks Düren und der Initiativgruppe „Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen“ (IFDA) der augenärztlichen Fachgesellschaften.

www.patienten-information.de/patientenleitlinien/diabetes-augen
„Patientenleitlinie Diabetes und Auge“ – ein Service des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ) im Auftrag von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundes-vereinigung aus dem Programm der Nationalen Versorgungsleitlinien

Informationen der Initiativgruppe „Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen“ (IFDA) der augenärztlichen Fachgesellschaften und der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes und Auge“ (AGDA) der Deutschen Diabetesgesellschaft