Ja nicht zurückziehen!
VisusVital interviewt Herrn Conrad und spricht mit ihm über seinen Umgang mit der Diagnose feuchte altersbedingte Makuladegeneration. So motiviert sich Herr Conrad und bleibt weiterhin aktiv
In diesem Interview sprechen wir mit Herrn Conrad. Als er die Diagnose feuchte altersbedingte Makuladegeneration (fAMD) gestellt bekam, fiel er in den ersten Monaten in ein Loch. Sport und Kultur, zwei für ihn wichtige Bestandteile in seinem Leben, konnte er nicht mehr wie gewohnt verfolgen. Doch er motivierte sich und kämpfte sich zurück.
VisusVital:Wie reagierte denn Ihre Frau, oder auch Ihre Familie, als Sie davon erzählten?
Herr Conrad:Also zunächst einmal, weil man es ja nicht sieht, weil, ich bin ja ein bisschen erfreut darüber, dass mir nicht jeder gleich ansieht: Der ist blind, der verdreht die Augen. Ich hoffe, dass es immer noch so ist. Meine Frau ist sehr optimistisch und da sagte sie: Komm wir machen das schon und das wird schon wieder. Das ist ein Virus, den du im Auge hast. Diese Krankheit, ja, ja… Vor allen Dingen, ich war noch relativ jung. Diese Krankheit ist ja nicht ganz unbekannt. Ältere Menschen bekommen auch diese Makuladegeneration. Aber, ich war ja gerade 60, naja, 64, 65. Und die war also nicht gleich ganz… Als sie dann gesehen hat, dass ich mich immer mehr zurückgezogen habe, nicht mehr beteilige, nicht mehr weggehen wollte, dann wurde sie schon traurig. Und hat sich noch mit Freunden, auch mit Sportskameraden unterhalten, die alle gesagt haben: Komm, der muss raus! Lass uns gemeinsam treffen. Lass uns gemeinsam irgendwo hingehen. Noch mehr ins Theater, noch mehr ins Konzert. Und wir müssen ihn da rausreißen. Und der eine hat mich auch zur Musikschule mitgenommen und gesagt: Komm, du spielst ein Instrument. Und so hat meine Frau sich doch schon sehr gekümmert, dass ich nicht so sehr ins Abseits gerate und in die Depression verfalle. Ja nicht zurückziehen, denke ich immer. Und so, nach dem Grundsatz, verhandle ich auch.
VisusVital:Wie wichtig ist es denn für Sie, wenn Sie auch mit anderen Personen sprechen, die die gleiche Diagnose haben, dass man trotzdem optimistisch bleibt?
Herr Conrad: Ja, das ist ebenso. Wenn Leute optimistisch bleiben, ich kenne einen, ja, der sieht es genauso wie ich. Der sagt: Ja Karl-Heinz, wir hoffen beide, dass es nicht dem einen oder uns beiden schlechter geht. Und wir reden auch mit Leuten, die traurig sind oder die nicht mehr daran glauben. Ganz gesund, sagen wir ihnen, wirst du nicht mehr. Aber du kannst mit dazu beitragen, dass du die Krankheit nicht mehr so empfindest. Denn es ist auch eine physische Sache. An manchen Tagen denkt man: Oh Gott, jetzt wird es schlechter. Es ist ja ganz schlechter geworden. An manchen ist es besser. Es ist auch eine Einstellungssache.
Wenn man insgesamt gut drauf ist, geht es auch mit den Augen. Und man muss einfach daran glauben. Fest daran glauben, dass es geht. Dass man nicht blind wird und es gehört wohl auch nicht zu dem Krankheitsbild bzw. zu der Diagnose dieser Krankheit, dass die Menschen blind werden. Und insofern bin ich immer ein bisschen froh, möchte sagen, ich habe auch die Krankheit akzeptiert, dass ich manchmal sehe, wenn ich Bus gefahren bin, wir sind ja nun umgesiedelt von Fürth nach Worms, wenn ich in Fürth Bus gefahren bin und gesehen habe, wie ältere Menschen mit zwei Stöcken kommen und sich tasten an die Bustür, dass sie reinkommen. Das sich das Gott sei Dank noch nicht habe. Und die Ärztin mir auch sagt, es wird schlimmer werden. Sie werden nur einen kleinen Kranz sehen, an Ihrem Auge.
Wenn ich zum Beispiel jetzt so schaue, dann sehe ich Sie besser, als wenn ich Sie anschaue. Aber die Ärztin sagte mal, schauen Sie den Menschen ins Gesicht. Sie wissen ja, wo die Augen sind. Und wenn Sie daneben schauen, dann sieht das nur so aus, als ob Sie zu schüchtern sind. Und da brauche ich also auch drauf. Naja, und wenn es sich noch ein bisschen verschlechtert, ich werde nicht mehr Akkordeon spielen können, ich werde nicht mehr frei joggen können und irgendwo hingehen. Ich kann die Straßennamen nicht mehr lesen. Aber ich denke, es wird schon.
Und vor allen Dingen, das ist ja auch das, wenn ich die Gelegenheit habe, auch so zu sprechen, und alle vier Wochen in die Praxis komme, und dort 30, 40 Menschen, 50 Menschen manchmal sehe, die auf die Behandlung warten. Und viele mit ähnlicher Krankheit, die am Anfang sind, und noch nicht so weit wie ich. Dass ich mich einschalte und sage: Leute, ich habe dasselbe. Ihr werdet nicht blind. Lasst euch nicht hängen. Lest, lest soweit ihr noch könnt, lest noch Bücher und fallt auf jeden Fall nicht in die Depression. Es geht weiter. Oder spielt auch Musik. „Ja, wir sind ja schon so alt…“ Jeder kann mit Musik beginnen. Ich habe mit 60 Akkordeon zu spielen angefangen. Jeder kann das. Und Sport. Sport, das ist ganz wichtig. Es war mein Hobby ich habe es beibehalten.
Und die Verzweiflung, wenn das entdeckt wird, habe ich auch gehabt, aber selber zusammenreißen. Nicht in die Ecke zurückziehen und jetzt sagen: Ich bin jetzt krank. Auch wenn mal ein Busfahrer, so wie es bei mir war, wenn ich das Geld hingehalten habe „Würden Sie es nehmen?“ und der Busfahrer sagt: Wie komme ich dazu? Die Leute verstehen nicht gleich alle, das einer eine solche Schwierigkeiten / eine solche Krankheit hat. Ein Busfahrer hat mich sogar einmal gefragt: Was tragen Sie da für ein Zeichen? Wenn ich dieses gelbe Zeichen mit drei Punkten habe; oder wenn ich eingestiegen bin und habe gefragt: Sind Sie der 178er. Dann hat er gesagt: „Wenns draußen dran steht, dann ist es wohl so.“ Also das erlebt man Aber daran darf man nicht verzweifeln. Man muss im Leben bleiben. In den Gebieten, wo man mitmischt, wo man etwas zu sagen hat, ja nicht zurückziehen!
Das Interview können Sie sich auch als Hörspiel anhören und als Video ansehen.