Diagnose und Behandlung
Arzneimittelsicherheit in der Augenheilkunde
Sicher ist sicher: Wie Wirkstoffe kontrolliert werden
Medikamente können Leben verändern – vorausgesetzt, sie sind sicher und zuverlässig. Gerade in der Augenheilkunde, wo Wirkstoffe direkt ins Auge injiziert werden, ist Sicherheit entscheidend. Nur durch höchste Präzision, sterile Bedingungen und sorgfältig geprüfte Medikamente lassen sich Komplikationen vermeiden und die Sehkraft langfristig erhalten. Doch wie sicher sind Arzneimittel wirklich? Warum werden sie auch nach der Zulassung weiter untersucht? Und welche Rolle spielt Vertrauen für den Therapieerfolg?
Darüber haben wir mit Dr. med. Tobias Niesen FEBO, Facharzt für Augenheilkunde und medizinischer Experte für klinische Studien bei der Bayer AG, gesprochen.
Herr Dr. Niesen, unter welchen Bedingungen wird ein Medikament in Deutschland zugelassen?
Ja. Medikamente, die in Deutschland zur Behandlung von Krankheiten beim Menschen zugelassen sind, haben ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit in der Regel in klinischen Studien nachgewiesen. Dabei werden viele Fragen untersucht: Wie wirkt das Medikament? Welche möglichen Nebenwirkungen gibt es? Für wen ist es geeignet? In welcher Dosierung und auf welche Weise soll es angewendet werden? Erst wenn Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit eindeutig belegt sind, erhält ein Medikament die Zulassung.
Zur Info: In jedem pharmazeutischen Unternehmen gibt es Fachleute, die sich ausschließlich um die Sicherheit von Wirkstoffen kümmern. Diese sogenannten Pharmakovigilanz-Teams prüfen genau, ob der Nutzen eines Arzneimittels größer ist als mögliche Risiken. Das geschieht nicht nur vor der Zulassung, wenn ein Medikament in Studien getestet wird, sondern auch danach, wenn es bereits im Alltag angewendet wird. So wird die Sicherheit eines Medikaments ständig überwacht.
Herr Dr. Niesen, sind Medikamente, die es schon lange auf dem Markt gibt, sicherer als neue?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Auch neue, moderne Medikamente können sicher sein, da die heutigen Zulassungsanforderungen besonders streng sind. Über Medikamente, die schon länger verwendet werden, weiß man jedoch naturgemäß mehr, auch aufgrund von Langzeitstudien. Je mehr Menschen ein Mittel über die Jahre eingenommen oder erhalten haben, desto umfangreicher sind die Erfahrungen damit. Bewährte Medikamente in der Augenheilkunde, beispielsweise die Behandlung mit VEGF-Hemmern in Form von Spritzen, wurden weltweit bereits viele Millionen Male verabreicht und in sogenannten Real-World-Studien an zehntausenden Patienten untersucht.
"Da die Behandlung einer gefäßbedingten Makulaerkrankung, wie fast alle chronischen Erkrankungen, eine lebenslange Therapietreue erfordert, ist Vertrauen in das Medikament und den Arzt ein entscheidender Erfolgsfaktor."
- Dr. med. Tobias Niesen FEBO, Facharzt für Augenheilkunde
Warum werden nach der Zulassung weitere Studien durchgeführt?
In sogenannten Real-World-Studien gelten, anders als in klinischen Studien, nur wenige, sehr allgemein gehaltene Voraussetzungen für die Teilnahme. Dabei werden Daten aus dem tatsächlichen Behandlungsalltag gesammelt. So erhalten Ärzte zusätzliche Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien und können besser auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten eingehen. Auch Patienten profitieren, weil sie realistische Erwartungen an die Behandlungsergebnisse bekommen. Zudem liefern solche Alltagsstudien der medizinischen Forschung und der Pharmaindustrie wertvolle Erkenntnisse, die für zukünftige Studien genutzt werden können.
Informationsmaterial zur Unterstützung von Patienten
Arzneimittelhersteller können bestimmte Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel ältere Menschen, zudem gezielt unterstützen, indem sie leicht verständliche Informationsmaterialien zu den Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten bereitstellen. Wichtig ist, dass diese Materialien klar und übersichtlich erklären, wie das Medikament angewendet wird, welche Wirkweisen es hat und welche möglichen Risiken bestehen.
Herr Dr. Niesen, welche Rolle spielt das Vertrauen des Patienten in ein bestimmtes Medikament für den Behandlungserfolg?
Zunächst spielt das Vertrauen der Patienten in die ärztliche Beurteilung der Erkrankung eine zentrale Rolle. Das Behandlungsteam sollte verständlich erklären, warum bestimmte Symptome auftreten und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Wenn das Verständnis vorhanden ist und die Therapie idealerweise schon zu Beginn gute Ergebnisse zeigt, kann der Patient auch dem Medikament vertrauen.
Wie kann ich als Patient helfen, Arzneimittel sicherer zu machen?
Mythen und Fakten über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln
Ja, bevor ein Medikament zugelassen wird, durchläuft es einen streng geregelten Entwicklungsprozess, der meist 10 bis 12 Jahre dauert. In dieser Zeit prüfen Wissenschaftler dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit in umfangreichen klinischen Studien mit vielen Teilnehmenden. Erst wenn alle Daten von den Gesundheitsbehörden bewertet und die Zulassung erteilt wurde, darf ein Medikament auf den Markt kommen und Patienten zur Verfügung stehen.
Nein, alle Pharma-Unternehmen müssen sich an strenge internationale Vorschriften und Qualitätsstandards halten. Diese werden regelmäßig von den Gesundheitsbehörden kontrolliert. Nur wenn ein Hersteller alle Sicherheits- und Qualitätsanforderungen erfüllt, erhält er eine Zulassung für sein Medikament.
Ja, alle bekannten Neben- und Wechselwirkungen müssen im Beipackzettel genannt werden, genauso wie Warnhinweise. Diese Informationen werden von Ärzten und Forschern während der Studien gesammelt und anschließend von den Gesundheitsbehörden geprüft und freigegeben. Der Beipackzettel wird regelmäßig aktualisiert, wenn neue Erkenntnisse dazukommen.
Nein, jedes Medikament kann erwünschte und unerwünschte Wirkungen haben. Wichtig ist, dass der Nutzen die möglichen Risiken deutlich überwiegt. Nur dann wird ein Medikament zugelassen. Dass ein Medikament Nebenwirkungen haben kann, bedeutet also nicht, dass es von schlechter Qualität ist, sondern dass es ehrlich geprüft und korrekt bewertet wurde.
Nein, nicht die Arzneimittelhersteller, sondern die Gesundheitsbehörden legen fest, wie der Beipackzettel gestaltet sein muss, vom Inhalt über den Aufbau bis zur Schriftgröße. Darum sehen sie bei allen Medikamenten in einem Land ähnlich aus. Auch wenn sie manchmal schwer zu lesen sind, ist es wichtig, sich über mögliche Nebenwirkungen zu informieren. Bei Fragen hilft immer Ihr Arzt oder Apotheker weiter.